Hey,
ich kann es kaum glauben, aber mein erster Monat in Australien ist bereits vorbei und ich habe schon so viel erlebt. Aber erst einmal von vorne. Mein Name ist Leonard, ich bin 16 Jahre alt und kann ein Jahr lang in Australien leben und zur Schule gehen.
Nach einer kurzen Informationsveranstaltung an meiner Schule in Deutschland war für mich klar, dass ich unglaublich gerne die 11. Klasse in Australien besuchen würde. Ich konnte meine Eltern zum Glück ebenfalls für diese Idee begeistern. Nach intensiver Recherche auf der Internetseite von Highschool Australia und einem netten Gespräch per Zoom mit Anne Stewart habe ich mich für das Fraser Coast Anglican College (FCAC) in Hervey Bay, Queensland entschieden, da hier u.a. das Fach Aquatic Practices angeboten wird.
Als alle Vorbereitungen, wie zum Beispiel das Interview mit dem FCAC, die Formalitäten an meiner Schule in Deutschland und das Visum erledigt waren, blieb noch eine wichtige Sache übrig: der Brief bezüglich meiner zukünftigen Gastfamilie. Solltet ihr einen Auslandsaufenthalt planen, möchte ich euch den Tipp geben, ganz ehrlich und offen zu schreiben, wie ihr euch eure Gastfamilie vorstellt und wo eure Interessen liegen. Ich habe in meinem Brief geschrieben, dass ich sportinteressiert bin und mich z.B. über einen Gastbruder sehr freuen würde, da ich zu Hause zwei jüngere Schwestern habe und auch mal das Leben mit einem Bruder erfahren wollte. Zunächst war ich mir unsicher, ob das nicht zu unhöflich ist, doch jetzt bin ich sehr froh darüber, da ich gleich zwei tolle, ebenfalls sportbegeisterte Gastbrüder (15 und 13 Jahre alt) bekommen habe. Meine Schule hat mir im Nachhinein bestätigt, dass es sehr gut war, meinen Wunsch geäußert zu haben, da es so für sie leichter war, eine Familie zu finden, zu der ich passe.
Und so ist es auch! Ich bin in meiner Gastfamilie glücklich. Meine total liebe Gastmutter fährt meine Brüder und mich jeden Morgen zur Schule. Das ist hier ganz normal. Die Kinder werden sehr viel mit dem Auto zur Schule und zu den Sportveranstaltungen gebracht. Das ist anders als in Deutschland, wo ich viel mit dem Rad oder der Bahn unterwegs war. Auch anders ist das unglaublich große Schulgelände. Das FCAC ist 26 Hektar groß, hat zwei riesige Sportfelder, einen eigenen Teich, eine Kapelle, eine Bibliothek, top ausgestattete Klassenräume und für jede Altersstufe einen eigenen Pausenbereich. Das Schulgelände ist also riesig und es war am Anfang schwierig, mich zurechtzufinden. Zum Glück begegnen einem hier immer nette Schüler und auch Lehrer, die behilflich sind, den richtigen Raum zu finden. Sowieso hat man hier das Gefühl, dass die Schüler gerne zur Schule gehen und die Lehrer gerne unterrichten.
Während ich in Deutschland bis zu 15 Schulfächer habe, konnte ich für Australien 10 Wahlfächer angeben, aus denen sechs von der Schule ausgewählt wurden. Das heißt also, hier in Australien werde ich in nur sechs Schulfächern unterrichtet, die dementsprechend häufiger in der Woche stattfinden. Am ersten Schultag habe ich erfahren, dass es für mich die Fächer Literatur, Modern History, Mathematik, Sport, Physik und Aquatic Practices sind. Aquatics hat mich natürlich gefreut, da wir im Rahmen dieses Fachs ein achttägiges Camp auf North West Island, einer unglaublich kleinen Insel ohne Strom und fließendem Wasser verbringen werden. In einem späteren Quartal können wir in Aquatics sogar einen Motorbootführerschein machen.
Es besteht die Möglichkeit, einzelne Fächer in den ersten Wochen zu wechseln. Um ehrlich zu sein, hatte ich überlegt, Physik zu wechseln, da ich am Anfang kaum etwas verstanden habe. Selbst das Fach Hauswirtschaft erschien mir hier sinnvoller. Doch nach einiger Zeit und mit Hilfe meiner Mitschüler kam ich immer besser zurecht, obwohl es wirklich hart ist, nach ein paar Wochen einen Bericht (Assignment) von circa 2.000 Wörter abgeben zu müssen. Anstelle von Klausuren werden hier Berichte geschrieben, die über einen längeren Zeitraum verfasst werden. Daran muss ich mich wirklich noch gewöhnen!
Es hat nicht lange gedauert und ich hatte meine ersten Kontakte gefunden. Am meisten dabei geholfen hat mir der Sport. Meine Gastmutter war mir dabei behilflich, mich sowohl in einer Fussballmannschaft namens Bayside Strikers F.C als auch in der Rugbymannschaft der Schule, den Fraser Flames anzumelden. Hier spiele ich jeden Donnerstag Fußball und dienstags mit ca. 25 anderen Schülern aus den Jahrgängen 7-11 Rugby. Obwohl ich vorher noch nie Rugby gespielt habe, bin ich super in das Team integriert worden. Es macht unglaublich viel Spaß und es ist ein gutes Gefühl, Teil eines Teams zu sein. Mit der Fußballmannschaft haben wir sogar fast jedes Wochenende ein Spiel gegen eine andere Mannschaft aus unserer Liga. Das bedeutet auch, dass wir manchmal bis zu 2 Stunden zu einem Spiel fahren.
Neben der neuen Sportart Rugby habe ich in Australien auch mit Boxtraining begonnen. Hier kommt mein Gastvater ins Spiel, von dem ihr bis jetzt noch nichts gehört habt, da er von meiner Gastmutter getrennt lebt. Das Verhältnis zwischen den beiden ist jedoch sehr gut, so dass ich mit meinen Brüdern einmal in der Woche im Boxstudio des Vaters, der auch noch Polizist ist, Boxen trainieren kann. Das Training ist so intensiv und anstrengend, dass ich den Schmerz in den Beinen manchmal noch zwei Tage später spüre. Aber auch dies ist eine neue Erfahrung und macht unglaublich viel Spaß.
Wie man merkt, verstehe ich mich mit meiner Gastfamilie sehr gut. Meine Gastmutter ist Vollzeit berufstätig, so dass wir Jungs im Haushalt mithelfen. Ich wasche meine Wäsche selbst, helfe beim Putzen (für mein Zimmer und eigenes Badezimmer bin ich alleine verantwortlich, was gut klappt) und wir Jungs machen abends zu dritt den Abwasch.
Wir hatten schon viele nette Gespräche, verbringen viel Zeit mit Sport, gehen manchmal essen und in eine Eisdiele mit 72 verschiedenen Eis-Sorten, spielen am Abend gemeinsam PlayStation und verfolgen mit großer Begeisterung die Frauen-Fußball WM mit den erfolgreichen „Matildas“ (so heißt die australische Frauen-Fußballmannschaft). Obwohl mit Schule und Sport meine Tage oft bis abends ausgefüllt sind, empfinde ich den „Aussie Way of Live“ und die Menschen hier als sehr entspannt und freundlich.
Was euch auch interessieren wird und was für deutsche Schüler eine Umstellung ist, ist das Tragen einer Schuluniform. Am ersten Schultag haben wir, die neuen Internationals als erstes die FCAC Schuluniform erhalten. Eine Uniform ist untertrieben, denn es sind genau drei Stück. Eine „sportliche“ für den Sportunterricht, eine „normale“ für jeden Tag und die „formal” Uniform, die wir jeden Mittwoch tragen, wenn sich die ganze Schulgemeinschaft trifft, um über Neuigkeiten der Schule informiert zu werden.
Der Hut und die schwarzen Leder-Schnürschuhe sind die größte Umstellung. Ich hätte mir nie vorstellen können meine Turnschuhe gegen diese Schuhe zu tauschen. Aber da alle Schüler das gleiche Schicksal haben, war es leicht, sich daran zu gewöhnen. Mittlerweile mag ich meine Schuluniform, da sie gerade den Internationals wie mir hilft, sich schnell in die Gemeinschaft zu integrieren. Außerdem ist es ein entspanntes Gefühl, aufzuwachen und ohne Nachdenken genau zu wissen, was man morgens anzieht. Mit den Lederschuhen kann man jedoch in den Pausen nicht gut Fußball spielen. Deshalb kommt es oft vor, dass wir den Schuh, mit dem wir den Ball treten, ausziehen und nur den anderen Schuh anlassen. Das ist natürlich nicht wirklich erlaubt, aber die Lehrer drücken hier ein Auge zu. Meinen Hut vergesse ich regelmäßig irgendwo und habe zum Glück Freunde und nette Mitschüler, die ihn für mich mitnehmen.
Man sieht also, dass ich mich hier bereits sehr gut eingelebt habe und nach nur fünf Wochen richtig im australischen Alltag angekommen bin. Ich werde hier von allen Seiten super integriert und hätte es mir für die ersten Wochen kaum besser vorstellen können. Ich freue mich schon riesig auf die kommenden Monate und darauf noch mehr zu erleben.
Bis bald, Leo